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26. November 2002, 12:45   #1
tw_24
 
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Trauerfeier für Rudolf Augstein - Grenzenloses Vergessen

"In Nebe entsteht ein Plan. Er läßt einen Teil der Kranken in eine kleine Holzbaracke, eine Garage, bringen und einen starken Pkw vorfahren. Der auf hohen Touren laufende Wagen strömt seine Auspuffgase in den Raum. Aber die Garage ist nicht dicht. Erschauernd vor einem Guckloch erschrickt Nebe vor seiner eigenen Grausamkeit. Aber er muß irgend etwas unternehmen. Wieder ventiliert er das Erschießen. Unmöglich! Dann läßt er die Garage vollständig abdichten und wiederholt den Versuch mit einem noch stärkeren Wagen. Erfolgreich. Nebe ist vollends am Ende. Er tröstete sich mit dem Gedanken, ordentliche Männer seiner Einsatzgruppe vor der Durchführung der grauenvollen Exekution bewahrt zu haben."
(Spiegel, 02.02.1950.)


Wenn Deutschland offiziell trauert, dann tun sich riesige Gedächtnislücken auf. Nachdem am "Volkstrauertag" die Deutsche Wehrmacht aus Anlaß des 60. Jahrestages des Beginns eines sowjetischen Angriffs zur Befreiung Stalingrads zur Verteidigungsarmee umgelogen wurde, ging gestern das offiziöse Ausblenden als unangenehm empfundener Wahrheiten weiter.

Im Spiegel, dessen verstorbener Herausgeber Rudolf Augstein, über dessen zweifellosen Verdienste schon so viel gesagt wurde, daß ich hier darauf verzichte, bei der offiziellen Trauerfeier von Bundespräsident Johannes Rau ernsthaft und bemerkenswert undifferenziert als der letzte "Gründungsvater des freien Journalismus in der Bundesrepublik" bezeichnet wurde, konnte man 1950 nachlesen, wie schwer es nationalsozialistischen Mördern fiel, ihre Opfer umzubringen, die - im Gegensatz zu ihren Mördern - offenbar gefühllose Wesen waren. "So einer ist kein Zyniker." meinte der Schönredner Johannes Rau ganz trefflich.

Für den völkisch-deutschen Antisemiten Rudolf Augstein (So beschrieb er etwa ganz in Stürmer-Manier "Klibansky als Anwalt der bayerischen Judenheit": "Dieses Zwischending von einem römischen Volksredner und einem Teppichhändler aus Smyrna, dieser kleine dicke Mann [..], der mit der Behendigkeit eines Waschbären und mit dem Habitus eines Pinguin den Gerichtssaal durchmaß ..." (Spiegel, 03.08.1950)) war der Massenmörder im Dienste des Führers, Arthur Nebe, "ein ängstlicher, anständiger, ehrgeiziger Beamter, der vor der Gewalt zurückwich, bis er sich selbst nicht mehr ins Gesicht gucken konnte" - der Ärmste.

Johannes Rau und die versammelte Politclique fanden denn auch erwartungsgemäß nichts dabei, daß Rudolf Augstein sehenden Auges ehemalige SS/SD-Mörder, Horst Mahnke (beteiligt an der Ermordung von KPdSU-Mitgliedern, Frauen und Kindern) und Georg Wolff (in Norwegen Norwegen dem Stab des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD zugehörig), zu Ressortleitern machte, die das ihre taten, die Opfer zu Tätern und die Täter zu Opfern zu machen - das "Sturmgeschütz der Demokratie" (Augstein über den Spiegel) schweigt sich bis heute über diese Personalien aus.

"Er war [..] ein unbeugsamer Demokrat, der sich kämpferisch einmischte in die öffentlichen Angelegenheiten. Es war sein Verständnis von der wehrhaften Demokratie, das ihn Partei ergreifen ließ für die Freiheit der Meinung und für die Freiheit des Wortes." erklärte Johannes Rau, "es war die Erfahrung aus der Katastrophe des Nationalsozialismus, die ihn zu einem der mächtigsten Streiter für die freiheitliche Ordnung Deutschlands machte." Indem er Schergen des SD-Chefs Heydrich beschäftigte, denn, so Johannes Rau, "Politik in Deutschland nach 1945 war für ihn undenkbar ohne das Bewußtsein für unsere historische Verantwortung."

Wie wahr.

MfG
tw_24
 
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vergessen, augstein, rudolf, trauerfeier




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