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10. June 2002, 08:13   #1
tw_24
 
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Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Die SPD im (Wahl-) Kampf - Wo bitte gehts zur Front?

Im September darf sich das deutsche Wahlvolk mal wieder verwählen. Das hat, kaum ist es zu glauben, auch die SPD gemerkt und am vergangenen Wochenende einen Wahlparteitag veranstaltet, der allerdings zwischen Fußballwahn, Antisemitismusdebatte und dem Thronjubiläum der britischen Königin unterging.

Die Queen hatte alle öffentlich-rechtlichen Sender auf ihrer Seite, Gerhard Schröder nur Phoenix - für Politik scheint sich niemand zu interessieren außer ein paar verbissenen Weltverbesserern ;-).

Die SPD fiel und fällt im Moment dadurch auf, daß sie irgendwie in einer Art Tiefschlaf verharrt, weshalb die Rede Gerhard Schröders zwar mit Spannung erwartet wurde, dann aber doch nicht wirkte wie erwartet - die SPD schläft weiter.

Dennoch scheint mir der Blick auf die Kanzler-Rede lohnenswert, steckt sie doch voller Widersprüche, die eigentlich auch typisch sind für das abschreckende Bild, das die gesamte politische Klasse in diesen Tagen abgibt.

Noch vor (!) dem ursprünglich angekündigten Zeitpunkt ergriff also Gerhard Schröder im weißen Hemd - weiße Weste? - am vergangenen Sonntag das Wort und hielt gut 80 Minuten durch, wofür er auch mit zehnminütigem Applaus und dumpfem "Jetzt geht's los"-Gejohle belohnt wurde, was deutlich macht, daß es leider auch bei der SPD offenbar mehr auf die Inszenierung ankommt als auf wirkliche Inhalte.

Wie nicht anders zu erwarten, schoß der Amtsinhaber ein paar wohlfeile Breitseiten gegen die FDP ab, "die inzwischen die Entpolitisierung des politischen Prozesses zum Programm erhoben hat", was nicht so recht nachvollziehbar ist, befaßt sich doch die blau-gelbe Partei nach ihrem Spaßparteitag notgedrungen mit wirklich ernsten Fragen, was Schröder denn auch zugestehen mußte: "Es geht um eine der Grundfragen deutscher Demokratie. Es geht um die Frage, wie das friedliche Zusammenleben der Menschen in Deutschland mit jenen Menschen organisiert werden und vonstatten gehen soll, die in Deutschland als Deutsche jüdischen Glaubens leben". Entpolitisierung? Eher schon eine Repolitisierung.

Doch immerhin, auch ein richtig schön mehrdeutiger Satz zum Thema kam dem Kanzler über die Lippen: "Lasst uns unbeirrt dafür kämpfen, dass jüdische Grabstätten genauso wenig geschändet werden wie christliche Grabstätten; bei denen ist das ja eine Selbstverständlichkeit."

Überhaupt, die Juden - zum Glück hat es den Holocaust gegeben, denn ohne ihn stünde es heute schlecht um das Ansehen Deutschlands in der Welt: "Wir haben die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern nach mehr als 50 Jahren geregelt. Dieses Bekenntnis zu unserer historischen Verantwortung hat dem Ansehen Deutschlands in der Welt genutzt, hat das Ansehen unseres Landes gesteigert und nebenbei deutschen Unternehmen Rechtssicherheit gebracht." Nicht auszudenken, wie die Lage wäre, hätte es Auschwitz-Birkenau nicht gegeben ...

Der Genosse der Bosse redete weiter und entdeckte die Moral als Wertmaßstab, seine ganz spezielle Version von Moral allerdings. "Unsere Politik ist gegründet auf moralische Prinzipien und das hat uns stark gemacht." Das klingt gut, wird aber konterkarriert durch das folgende "Eingeständnis": "Es ist Mode geworden, dass uns Umfragen beschäftigen, sogar mich gelegentlich - ihr werdet es nicht glauben. Aber eine, liebe Genossinnen und Genossen, aus der letzten Zeit ist mir in Erinnerung geblieben, weil sie mir wirklich wichtig gewesen ist: Da wurden Kinder zwischen zehn und 14 Jahren zur Politik befragt und zu dem befragt, was sie bewegt, auch zu dem, wovor sie Angst haben."

Und da schneidet seine "moralische Politik" dann doch ziemlich erbärmlich ab: "60 Prozent haben Angst vor Gewalt, 48 Prozent machen sich Sorgen um die Umwelt und 37 Prozent befürchten, dass ihre Eltern arbeitslos werden könnten." Gerhard Schröder nennt das einen Erfolg - da will ich gar nicht wissen, wie er einen Mißerfolg definiert.

Noch einmal die Lachmuskeln bediente er im Rahmen der "Chefsache Ost". Denn da gibt es so unheimlich schwierige Worte wie Risikostrukturausgleich zu bewältigen, was ein richtig "kompliziertes Wort" ist, mit dem er offenbar selbst nicht viel anfangen kann: "Lasst mich das wenigstens erklären, auch mir selber."

Nach der Innenpolitik kam auch noch die Außenpolitik dran, und auch hier wieder widersprach sich der Chefgenosse auf eine beinahe schon meisterhafte Weise. "Die Entschuldigung, wir seien ein geteiltes Land und hätten deswegen ein Recht auf einen Sonderweg, gibt es Gott sei Dank nicht mehr." sprach er, um sich sogleich über die "Normalität" zu freuen: "Wir haben Deutschland zu einer Friedensmacht, zu einem gleichberechtigten Friedenspartner entwickelt." Und das sei, so frohlockte der Nachkriegskrieger, dennoch "eine entscheidende Kontinuität in der deutschen Außenpolitik", wie sie von Willy Brandt und Helmut Schmidt betrieben worden sei - hat Helmut Kohl eigentlich unter Bezugnahme auf den Holocaust Kriegseinsätze der "Verteidigungsarmee" Bundeswehr zu rechtfertigen versucht? Schlimme Zeiten müssen das gewesen sein, in denen die Parole "Nie wieder Krieg!" öffentliche Anerkennung erfuhr, während doch ein "Nie wieder Krieg ohne uns!" richtig gewesen wäre.

Gerhard Schröder sagte viel, richtig überzeugen - also wecken - konnte er indes niemanden. Allgemeinplätze zur aktuellen Politik ersetzen nicht den programmatischen Ausblick auf die angestrebte Fortsetzung einer Regierungspolitik, die in wesentlichen Teilen hinter den eigenen Ansprüchen zurückblieb.

Der Parteitag klatschte brav Beifall - die Presse maß mit der Stoppuhr mit, denn offenbar ist die Dauer des Applauses wichtigstes Erfolgskriterium in der politischen Auseinandersetzung, während inhaltliche Botschaften zweit- bis drittrangig sind.

Die SPD zieht in den Wahlkampf, soviel ist sicher, wofür sie aber eigentlich steht, ist nach diesem traurigen Wahlparteitag allerdings so unklar wie zuvor. Gründe, die politische Konkurrenz nicht zu wählen, nannte Schröder, warum aber ausgerechnet die SPD gewählt werden sollte, konnte er auch nicht überzeugend darlegen.

MfG
tw_24
 
10. June 2002, 13:32   #2
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
Meine unkritische Haltung deinen Stellungnahmen gegenüber ist sprichwörtlich, aber diesmal?

Obwohl sich deine Postings, was die Länge anbelangt, durchaus mit Ben-99 messen können, habe ich unten noch gewusst, was du oben gesagt hast. Liegt das an der Inhaltsleere des Parteitages oder das du die Leere gekonnt vorgetragen hast und diesmal in unüblicher Weise den Faden beibehalten hast
Fazit, du hast klar gemacht, dass die SPD alles Mögliche hat, nur kein Programm.
Bevor jetzt wieder kommt, was denn die CDU hätte, die hat zwar auch nichts, aber die habe ich auch noch nie gewählt. Diese Partei hat ihre Hochburg in der ehemaligen Zone

mfg
 
6. August 2002, 18:23   #3
tw_24
 
Benutzerbild von tw_24
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 1.018
Wer SPD wählt, wählt Frieden - oder auch nicht!

Die SPD begann gestern ihre vorgezogenen Bemühungen, doch noch ein paar Wähler für sich zu begeistern. Die Rattenfänger waren denn auch zahlreich versammelt, allen voran Franz Müntefering und Gerhard Schröder, der als Spitzenkandidat bei seinem ersten Auftritt schon recht heißer klang - dabei muß heute doch eigentlich niemand mehr schreien, wenn er zu einer größeren Menschenmenge sprechen will.

Nun, Gerhard Schröder brüllte dennoch, ließ, wie dereinst Lenin den Blick immer von links nach rechts und wieder zurück schwenken - auch das ist in Zeiten von DigiCams und Stereo einfach nur altmodisch -, und verkündete, er sei - ein PAZIFIST!

Dümmer noch als der SPD-Kandidat reagierte das billige Publikum - es klatschte einem Kanzler Beifall, der in seiner Amtstzeit mindestens drei "humanitäre Interventionen" schönredete.

Der Irak, vielmehr Saddam Hussein, ist dem deutschen Kanzler nämlich so heilig wie die Scharia in Kabul, was durchaus die Frage aufwirft, ob Gerhard Schröder ein Antisemit ist.

Am 8. April 2002 nämlich hatte er auf der NATO-Kommandeurstagung in München noch "Verantwortung" übernehmen wollen, "Verantwortung" für ein befriedetes Israel, in das er deutsche Soldaten entsenden wollte, um "die Konfliktparteien" "auch zu trennen und dafür eben auch (...) militärische Mittel einzusetzen." (Ihm widersprach übrigens kein PDS-Pazifist, sondern Edmund Stoiber: "Vor dem Hintergrund unserer Geschichte wird es im Nahostkonflikt einen Einsatz deutscher Soldaten - selbst unter UNO-Mandat - mit unserer Zustimmung nicht geben.")

Deutsche Stahlhelme wollte Gerhard Schröder in Jerusalem sehen, aber nicht einmal "Scheckbuchdiplomatie" betreiben, sollte es darum gehen, einen der Hauptfinanciers des antisemitischen Terrorismus gegen Israel auszuschalten - so überzeugend kann sich wirklich nur ein Sozialdemokrat unglaubwürdig machen.

Während Franz Müntefering mal wieder einen "deutschen Weg" herauskramte (Europa? Staatengemeinschaft? Wertegemeinschaft?), verkündete Schreihals Schröder nicht weniger isolationistisch: "Es ist wahr, wir haben uns auf den Weg gemacht, auf unseren deutschen Weg".

Und zum "deutschen Weg" gehört neuerdings offenbar die sozialdemokratische Solidarität mit Saddam Hussein, dem ein "Märtyrer", der sich in Israel in die Luft sprengt, 15.000 Doller teuer ist. Irgendwie ist es traurig, daß Wolfgang Schäuble, der für Edmund Stoiber außenpolitische Kompetenz heucheln soll, nicht nach den deutschen Blauhelmen in Jerusalem fragte, sondern prompt eine Solidaritätsadresse gen Washington schickte ...

Wie auch immer, die angesichts innenpolitischer Unglaubwürdigkeit entdeckte Außenpolitik macht Gerhard Schröder nebst SPD nicht glaubwürdiger - auch wenn diese Kriegspartei nun plötzlich Pazifismus in der "Irak-Frage" propagiert.

Dieser "Pazifismus" ist nichts als Heuchelei und offener Antisemitismus; die in Kuwait stationierten deutschen ABC-Spürpanzer sollen selbst in einem Kriegsfall nicht abgezogen werden, gegen den Irak sollen sie aber offenbar nicht eingesetzt werden - dieser seltsamen Logik kann ich nicht folgen.

Nein, wenn Gerhard Schröder heißer in ein bedauernswertes Mikrofon brüllt: "Keine Spielerei mit Krieg und militärischer Intervention!", dann lügt er einfach.

Die SPD zog begeistert in den Ersten Weltkrieg, sie wird auch Gründe finden, den Diktator in Bagdad zu entsorgen. Gründe, die sie heute noch in brüderlicher Solidarität mit dem Massenmörder in Bagdad ignoriert und verschweigt.

Frieden jedenfalls, da kann Gerhard Schröder noch so laut brüllen, Frieden ist nicht sein Ding.

Wer SPD wählt, wählt Krieg - und darf gespannt sein auf die Begründung für die "schwierige Entscheidung".

MfG
tw_24
 
6. August 2002, 22:21   #4
quentin
 
Registriert seit: April 2002
Beiträge: 1.693
hmmm, bring mich nicht auf die Idee, warum ich doch SPD wählen könnte.;-)

mfg
 
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Stichworte
front, kampf, wahl, spd




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