Skats

Datenschutzerklärung Letzten 7 Tage (Beiträge) Stichworte Fussball Tippspiel Sakniff Impressum
Zurück   Skats > Interessant & Kontrovers > Off-Topic
Registrieren Hilfe Benutzerliste Kalender


 
 
14. December 2002, 19:26   #1
Marena
 
Benutzerbild von Marena
 
Registriert seit: October 2002
Beiträge: 2.775
Die Traurigkeit

Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.
Bei der zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen. Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: Wer bist du?
Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. Ich? Ich bin die Traurigkeit, flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.
Ach, die Traurigkeit! rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.
Du kennst mich? fragte die Traurigkeit misstrauisch.
Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet.
Ja, aber..., argwöhnte die Traurigkeit, warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?
Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?
Ich... ich bin traurig, antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme.
Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. Traurig bist du also, sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf.
Erzähl mir doch, was dich so bedrückt.
Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht. Ach, weißt du, begann sie zögernd und äußerst verwundert, es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter den Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu
verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest.
Die Traurigkeit schluckte schwer. Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen:
Papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen:
Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muss sich nur
zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und
Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen.
Oh ja, bestätigte die alte Frau, solche Menschen sind mir schon oft
begegnet.
Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um
ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut.
Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben.
Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu. Die Traurigkeit schwieg.
Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt.
Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel. Weine nur, Traurigkeit, flüsterte sie liebevoll,
ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten. Ich werde dich begleiten, damit die
Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt.
Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: Aber...
aber- wer bist eigentlich du?
Ich? sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. Ich bin die Hoffnung.
 
14. December 2002, 19:54   #2
zeus2212
 
Registriert seit: November 2001
Beiträge: 4.800
traurig eine ergreifende geschichte
 
14. December 2002, 20:17   #3
Phantasia
 
Benutzerbild von Phantasia
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Hamburg
Beiträge: 1.094
*lächle*


...OHNE Hoffnung? dann würden wir sterben, nicht?
 
14. December 2002, 21:58   #4
Herr Korrekt
Ungültige E-Mail Angabe
 
Benutzerbild von Herr Korrekt
 
Registriert seit: July 2002
Beiträge: 855
Hast du diese Geschichte selbst geschrieben?
 
14. December 2002, 22:31   #5
Marena
 
Benutzerbild von Marena
 
Registriert seit: October 2002
Beiträge: 2.775
Nein, ich habe die Geschichte nicht selber geschrieben. Sie hat mir nur sehr gut gefallen.
 
14. December 2002, 22:46   #6
ayla
 
Benutzerbild von ayla
 
Registriert seit: January 2002
Beiträge: 2.481
Zitat:
Zitat von Phantasia
...OHNE Hoffnung? dann würden wir sterben, nicht?
Ich bin auch denn Meinung, ein Leben ohne Hoffnung ist kein Leben.

Selbst wenn man mal nicht gut zufrieden ist oder Probleme hat, ist es die Hoffnung die uns nicht verzweifeln oder aufgeben lässt.
 
14. December 2002, 23:49   #7
Phantasia
 
Benutzerbild von Phantasia
 
Registriert seit: September 2002
Ort: Hamburg
Beiträge: 1.094


ja, nur so geht es weiter im Leben; denn es gibt IMMER einen Menschen, der einen auffängt...selbst wenn es noch so hoffnungslos erscheint!

Danke Dir, Marena, dass Du gesagt hattest, ich sollte hier nachlesen... :

....und Dir, ayla, dass Du meine Gedanken dazu verstanden hast!

 
Antwort

  Skats > Interessant & Kontrovers > Off-Topic




Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 00:23 Uhr.


Powered by vBulletin, Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.
Online seit 23.1.2001 um 14:23 Uhr

Die hier aufgeführten Warenzeichen und Markennamen sind Eigentum des jeweiligen Herstellers.